Bis zum Abschluss des primären Spracherwerbes lernen Kinder Sprachen noch anders und leichter, als später in der Schule. Das hängt mit Hirnreifungsprozessen zusammen. Daher haben zweisprachig (bilingual) aufwachsende Kinder die einmalige Chance, beide Sprachen wie zwei Muttersprachen zu erwerben. Mit Bilingualität ist gemeint, dass diese Kinder seit ihrer Geburt parallel zwei Sprachen lernen.
Meistens ist eine der beiden Sprachen die Stärkere, was kein Grund zur Beunruhigung ist. Das kann dazu führen, dass Ihr Kind gelegentlich Wörter aus der anderen Sprache entlehnt, um Wortschatzdefizite zu schließen. Dies ist ganz normal und kein Zeichen für eine Sprachentwicklungsstörung.
Der Sprechbeginn bei Zweisprachigkeit ist häufig leicht verzögert (bis zu ca. 6 Monaten), die Verzögerung wird aber meist schnell aufgeholt. Lediglich im Wortschatz zeigen sich dann noch Unterschiede zu einsprachig aufwachsenden Kindern. Das liegt daran, dass bilinguale Kinder nicht in allen Lebenssituationen beide Sprachen sprechen.
Bilinguale Kinder erwerben Sprache nach den gleichen Prinzipien wie einsprachig aufwachsende Kinder. Auch diese Kinder können von einer Sprachentwicklungsstörung betroffen sein. Dies ist der Fall, wenn die zu erwartenden Entwicklungsschritte mehr als 6 Monate verzögert sind. Eine Sprachentwicklungsstörung betrifft immer beide Sprachen. Ist dagegen eine Sprache altersgemäß entwickelt und die andere nicht, liegt dies meist daran, dass das Kind mit der zweiten Sprache zu wenig in Kontakt gekommen ist. Dieses Kind braucht mehr Zugang zur zweiten Sprache aber keine logopädische Therapie.
Was Sie bei einer mehrsprachigen Erziehung beachten sollten
Die Entscheidung zur zweisprachigen Erziehung sollte spätestens mit der Geburt fallen. Falls Sie selbst mehrsprachig aufgewachsen sind, wählen Sie für Ihr Kind die Sprache, in der Sie sich selbst beheimatet fühlen und die Sie sehr gut beherrschen. Damit ist gewährleistet, dass Ihr Kind eine korrekte Grammatik und einen differenzierten Wortschatz erwerben kann. Haben Sie sich für eine Sprache entschieden, sollten Sie so konsequent wie möglich die Regel „eine Sprache, eine Person“ anwenden. Das bedeutet, dass Sie mit Ihrem Kind immer nur in der einmal gewählten Sprache sprechen. Wenn jede Person Ihrer Familie diese Regel beherzigt, kann Ihr Kind sehr gut parallel mehrere Sprachen lernen, ohne dass dies zu Sprachvermischungen führt.
Häufig entwickeln Kinder mit den Jahren eine bevorzugte starke Sprache. Oft ist dies die Umgebungssprache, die meist über den Kindergarten gestärkt wird. Dann kann es vorkommen, dass Ihr Kind mehr und mehr in der Umgebungssprache spricht. Sie sollten dennoch weiter in Ihrer Sprache antworten. Damit erreichen Sie, dass Ihr Kind diese Sprache gut verstehen lernt und bei entsprechender Gelegenheit, vielleicht in einem Urlaub, auch anwenden kann.
Auch, wenn Ihr Kind eine Sprachentwicklungsstörung zeigen sollte, können Sie weiterhin bei einer zweisprachigen Erziehung bleiben. Eine konsequente zweisprachige Erziehung ist niemals die Ursache für Störungen in der Sprachentwicklung.